“World Brain”, dieser Buchtitel klingt nach aktueller Lektüre über das World Wide Web. Tatsächlich handelt es sich jedoch um eine Aufsatzsammlung aus dem Jahr 1938, Autor: H.G. Wells, bekannt durch Sci-Fi-Romane wie “Time Machine” oder “War of the Worlds”. Statt Science-Fiction geht es hier um die konkrete Utopie einer weltweit verfügbaren, ständig aktualisierten “World Encyclopedia”, und damit zugleich um eine Art Nervenzentrum, das der Menschheit ein gemeinsames Planen und Handeln ermöglicht. “Weltgehirn” eben.
Rein technisch dachte sich Wells eine Kombination aus drahtlosem Funk und Mikrofilm, um Bücher, Aufsätze und Zeitungsartikel in alle Welt zu übertragen. Das gesammelte Weltwissen sollte zugleich die Basis dafür bilden, neue Ideen zu diskutieren und die Forschung voranzutreiben. Vor allem aber, so hofft Wells, würde auf diese Weise kein Wissen mehr verloren gehen, sondern Forschritt in stabilem Tempo möglich werden.
Von der Weltenzyklopädie zum Weltfrieden
All das ist vor dem Hintergrund der Weltkriegserfahrung von 1914/18 zu sehen: Nicht zuletzt sollte die “World Encyclopedia” nämlich dazu beitragen, einen dauerhaften Frieden zwischen den Völkern zu sichern – parallel zu anderen supranationalen Institutionen wie etwa dem Völkerbund.Das allerdings blieb eine vage Hoffnung: Die Nachkriegszeit war eine Zwischenkriegszeit. Der Erscheinungstermin von “Global Brain” lag schließlich nur knapp ein Jahr vor dem Ausbruch des Zweiten Weltkriegs. Die Idee, das Weltwissen zu katalogisieren und zugänglich zu machen änderte ihren Charakter, sie wurde vorerst zu einem zentralen Interessengebiet für den militärisch-industriell-akademischen Komplex.
Comeback des World Brain als Supercomputer
So ist es vielleicht kein Zufall, dass es mit Arthur C. Clarke in den 1960er Jahren wieder ein Sci-Fi-Autor war, der die Idee des “World Brain” erneut aufgriff, diesmal vor dem Hintergrund der boomenden Computer- und Netzwerktechnik.Eine Supercomputer mit künstlicher Intelligenz, so Clarkes Idee in “Profiles of the Future” (1962), würde an der Schwelle zu 21. Jahrhundert in die Steuerung von Politik und Gesellschaft eingreifen und den Menschen dabei helfen, die alten Fehler zu vermeiden. Dafür schlug Arthur C. Clarke einen symbolträchtigen Ort vor: die dann hoffentlich “ehemaligen” Kommandozentralen der atomaren Supermächte USA und UdSSR.